7 Keramikgerechtes
Konstruieren
Im Gegensatz zu den meisten anderen Werkstoffen
erfolgt in der keramischen Technologie die Formgebung vor
dem Einwirken des werkstoffbildenden thermischen Prozesses,
bei dem das geformte Bauteil noch einen Schwindungsprozess
durchläuft.
Erst nach dem Brennprozess liegt der eigentliche keramische
Werkstoff vor. Dies beeinflusst auch die Konstruktion keramischer
Bauteile.
Bild 129: Werkstoffbildung
Den Konstrukteuren des Maschinen- und Gerätebaus,
der Kraftfahrzeugtechnik und der Verfahrenstechnik ist der
Umgang mit den üblichen metallischen und polymeren Werkstoffen
(Stahl, Guss, Aluminiumlegierungen, Nickel-Basis-Legierungen
etc.) in Fleisch und Blut übergegangen. Viele Ingenieurgenerationen
haben mit der Anwendung dieser Werkstoffe Erfahrungen gesammelt,
die auch in der Ausbildung dem Konstrukteurnachwuchs übermittelt
werden.
Anders ist die Situation beim Einsatz neu entwickelter Werkstoffe
oder beim Erschließen neuer Anwendungsgebiete für
Werkstoffe, die zwar schon lange bekannt sind, aber bisher
nur in einem begrenzten Einsatzbereich angewendet wurden.
Die Werkstoffe der Technischen Keramik zählen
hierzu.
Bei der Lösung eines technischen Problems
muss der Konstrukteur technische Elemente entwerfen; dabei
muss er bei keramischen Werkstoffen besonders auf die erforderliche
werkstoffgerechte Konstruktion achten.
Duktile Werkstoffe reagieren und kompensieren
kleinräumige/örtliche Überlastungen mit elastischer
Dehnung nach dem Hook´schen Gesetz und mit der plastischen
Formgebungsreserve.
Für harte und damit spröde Werkstoffe gilt das nicht,
sie sind also nicht fehlertolerant. Damit bestehen wesentliche
Unterschiede in der Belastungsfähigkeit von Bauteilen
aus duktilen (metallischen) und spröden/ harten (keramischen)
Werkstoffen. Dies macht dann auch differierende Gestaltungsregeln.
Gewisse Analogien findet der Konstrukteur
in den Grundregeln des gussgerechten Konstruierens und den
Fertigungsmöglichkeiten der Pulvermetallurgie.
Neben der Gestaltung der Bauteile selbst wirft die Einbindung
keramischer Komponenten in metallische Baugruppen eine Reihe
von konstruktiven Problemen auf.
In den meisten Anwendungsfällen werden einzelne Komponenten
einer Konstruktion (z. B. austauschbare Verschleißteile)
aus keramischen Werkstoffen hergestellt und mit den benachbarten
metallischen Bauteilen und Baugruppen verbunden.
Die Aufgabe des Konstrukteurs ist es, die
überragenden Eigenschaften der Technischen Keramik zielgerichtet
und wirtschaftlich auszunutzen, ohne dabei ihre einschränkenden
Eigenschaften zur Wirkung kommen zu lassen. Dies versteht
man unter keramikgerechter Konstruktion.
|